120dB
Wo zieht sich die Linie zwischen Ton und Geräusch? Welche Rolle spielen beide Phänomene in der Musik? Wie wird Lärm wahrgenommen? Obwohl die Schmerzgrenze des menschlichen Ohrs bei 120dB liegt, wird der Mensch auch in alltäglichen Situationen dieser Lautstärke ausgesetzt, manchmal sogar unbewusst. Dabei wird das Wort "Lärmbelästigung" nur gebraucht, wenn diese akustische Vereinnahmung unerwünscht ist. SoundTrieb spielt diesmal im Bereich zwischen erwünscht und unerwartet, mit einem Programm, das sich mit der ästhetischen Wahl des Geräuschs und des Lärms auseinandersetzt.
Das für SoundTrieb komponierte neue Stück all’arme erforscht das Thema Lärm in seiner Designfunktion in der Gesellschaft und bringt das Ergebnis in Form einer Installation und Performance auf die Bühne. Antoine Chessexs Furia lässt eine graue Atmosphäre mit einer homogenen Textur entstehen, bei der die Energie der Gesten in Vordergrund steht. Raphaël Languillat lässt sich von den Gemälden des italienischen Malers Caravaggio (Frühbarock) inspirieren und schafft eine dichte, elektronisch-verstärkte Klanglichkeit in flagellatio ii (torso). Der ursprünglich aus rein elektronischen Klängen bestehende Boden für das Tam Tam Solo in Vague de pas von Kasper T. Toeplitz wird live von Saxophon, Cello, Akkordeon und Klavier umgesetzt. Als Kontrapunkt zu oben Genanntem wird Martín Matalóns Loop & épilogue ausgewählt: Kleine Motive springen zwischen den Instrumenten hin und her oder ergänzen sich, bis schliesslich eine feingliedrige Masse aus Klang erzeugt wird. Wie laut klingt eine Feder?
Unterhaltung, Schutz, aber auch Manipulation und Angst: Der Einsatz von Schall als Kontrollmittel ist seit dem 20. Jahrhundert ein wichtiger Forschungsschwerpunkt. Auch wenn der Begriff "Klangverschmutzung" erst zu Beginn der 2000er Jahre aufkam, um die Lärmbelästigung zu bekämpfen, wird der Klang seit den 1930er Jahren als Kontrollinstrument eingesetzt. Sowohl von Sounddesignern, die versuchen, unser Kaufverhalten unbewusst zu steuern, als auch vom Militär, das Sound als Waffe für psychologische und physische Folter einsetzt. Das Stück all'arme ist eine Kooperation zwischen dem Musiker Corentin Marillier und der Produktdesignerin Pia Matthes.